Wenn der Berg ruft...
 
Mit 84 km/h elektrisch über den Gotthard – inkl. Bierfass

Mit 84 km/h elektrisch über den Gotthard – inkl. Bierfass


2016 schrieb ich im Reiseblog «Mit dem E-Mobil über den Gotthard»: «Und wer weiss, vielleicht kombinieren wir die beiden Reisevergnügen und fahren wir nächstes Jahr mit einem E-Hippie-Bus über den Gotthard…»
…nun hat es etwas länger gedauert, doch dieses Jahr war es nun soweit! Wir starteten auf eine Gotthardüberquerung mit dem elektrifizierten Hipp-e-Bus.

Alles bereit für den Start – inkl. Bierfass

Für diese Tessin-Sommerferien nahm Janosch eine Schulkollegin mit, deshalb war der Hipp-e-Bus mit 3 Velos und 2 Zelten und allerlei Camping-Kram voll beladen. Und zusätzlich mit einem Bierfass mit Zapfanlage, das wir kurz vor den Ferien aus einem Kioskkühlschrank konstruiert hatten. Die Kinder haben etwas rumgemotzt, ob das wirklich mitmüsse, weil sie Bier nicht gern haben, obwohl sie genug Platz hatten. Vielleicht hätten sie lieber ein Glacé-Fass mitgenommen…

Klausenpass zum Aufwärmen

Der erste Teil unserer Fahrt führte uns von Uerikon nach Ziegelbrücke und dann in den Glarner Ziegerschlitz nach Linthal, denn wir wollten über den Klausenpass Richtung Gotthard-Achse fahren. Der Hipp-e-Bus lief problemlos, surrte leise vor sich hin und auch die Tatsache, dass die Klimaanlage auf Hochtouren lief, beeindruckte ihn nicht.

Am Fusse des Klausenpass brauchten dann sowohl die Kids wie auch der VW-Bus eine erste Pause. Im kleinen Töffmuseum «Freuler’s Race Café» gab’s für die Kids natürlich Glacé und für den Hipp-e-Bus eine Abkühlung in Form einer frischen Brise. Zum 1. Mal, seit der Bus elektrifiziert ist, startete der Lüfter im Heck, um den Wasserkühlkreis des E-Motors und der Steuerung hinunterzukühlen.

Darauf starteten wir zur ersten Passfahrt. Der Klausenpass ist noch einer der alten, wenig ausgebauten Pässe mit vielen Kurven und engen Stellen. Doch der Hipp-e-Bus stromerte problemlos die vielen Kehren rauf und die Temperatur des Elektromotors stieg maximal auf 73 ˚C, wie mir mein Bordcomputer signalisierte:

Kühe auf der Fahrbahn

Der Klausenpass wurde immer wilder, die Kurven enger und die Aussentemperaturen sanken soweit, dass ich die Klimaanlage in den Modus Wärmepumpe zum Heizen umschalten musste. Wir fuhren vorbei an wunderschönen Alp-Höfen, über uns thronte der mächtige Clariden. Kurz vor der Passhöhe mussten wir dann stoppen, denn uns kam eine Kuhherde auf der Fahrbahn entgegen!

Auf der Passhöhe angekommen gab’s dann eine warme Ovi und etwas zu knabern, die Kids liefen Richtung Clariden ein Stück den Berg rauf, obwohl es etwas zu nieseln begonnen hatte.

Tell-Denkmal und Zwischenladen in Altdorf

Weiter ging die Reise durch das Hochtal «Urnerboden», der grössten Alp der Schweiz. Der elektrische VW-Bus zeigte sicher nach der Passhöhe von seiner besten Seite und gab sich alle Mühe, soviel wie möglich der potentiellen Energie beim Runterfahren wieder in die Batterie einzuspeisen (Rekuperation). Die mechanische Bremse musste ich kaum betätigen trotz der hohen Zuladung. Die 1. Passfahrt endete in Altdorf mit einem Foto vor dem berühmten Tell-Denkmal wie in vergangenen Blogs:

Nun war es Zeit für eine Stärkung, sowohl für die Kids wie auch für den Hipp-e-Bus. Während das Fahrzeug an der Schnellladestation elektrische Energie tankte, assen wir in der Gotthard-Raststätte.

Wie sich die Technik weiterentwickelt hat, zeigte sich in der Tatsache, dass ich die Kids vom Essen wegholen musste, weil die Batterie bereits nach ca. 30 Min. fast wieder voll war und wir weiter mussten. In vergangenen Zeiten betrug die Wartezeit immer lange, bis sich wieder genug Elektronen in der Batterie befanden.

Teufelsbrücke

Nachdem alle vollgetankt hatten ging die Fahrt weiter Richtung Gotthard. Der Plan war, auf der Autobahn bis Göschenen und dann über den Gotthardpass zu fahren. Die Fahrt verlief absolut problemlos, die Schöllenenschlucht nahm der Hipp-e-Bus mit Bravour. Ein kurzer Zwischenhalt bei der Teufelsbrücke mit einem Geschichtsvortrag meinerseits über die schlauen Urner und den dummen Teufel brachte etwas Abwechslung in die Fahrt.

Mit 84 km/h den Gotthard rauf

Nun liessen wir Andermatt hinter uns und begannen, den Gotthardpass hinaufzukurven. Im Jahr 2018 (siehe Mit dem Hippie-Bus über 4 Alpenpässe – mit einer Dampf-Zugabe) hatte der damals mit Benzin betriebene VW-Bus sichtlich Mühe, das Tempo zu halten, je näher wir zur Passhöhe kamen. Da die Autos aus dem Jahre 1973 noch mit Ansaugvergaser ausgestattet waren, spielte der tiefe Sauerstoffgehalt in der dünneren Luft eine Rolle und so sank die Leistung, je höher man in die Berg kam. Ich erinnere mich gut, dass ich beim letzten Abschnitt vor der Passhöhe gewendet habe, um auf der alten Passstrasse weiterzufahren, weil die neue Passstrasse zu steil war. Nun kam das Highlight der Reise: An der gleichen Stelle, wo ich damals gewendet habe, zeigte der Tacho 84 km/h an, trotz mehr Zuladung und einem vollen Bierfass im Bus. Der umgebaute Hipp-e-Bus verfügt nur über 20 % mehr Leistung als vorher, aber hier kann der E-Motor mit seinem hohen Drehmoment voll punkten.

Das Video zeigt die Fahrt auf dem letzten Stück kurz vor der Passhöhe mit Spitzengeschwindigkeiten bis zu 87 km/h:

Gotthard Passhöhe

Kurz darauf erreichten wir die Passhöhe, hielten kurz an und die Kids kletterten auf dem Denkmal rum.

Natürlich entstand auch das obligatorische Passfoto (?), das sich nahtlos in die vorausgegangene 3-er-Serie einreiht (erkenne den Unterschied!):

Rütteltest in der Tremola

Dann ging es ab in die Tremola. Für den umgebauten VW-Bus ein echter Rütteltest, ich war gespannt, wieviele Schrauben am Ende fehlen würden. Doch auch diese Prüfung bestand der alte Bus mit neuen Innereien mit Bravour und die einzige Auswirkung betraf das Bierfass, kam doch beim anschliessenden Zapfen am Anfang zuerst nur Schaum.

Bellinzona

Das obligatorische Foto in Bellinzona vor dem Castelgrande haben wir dann eine Woche später geschossen, nachdem wir eine Woche im Tessin nicht «Down Under», sondern «Under Water» waren:

Die Bierfass-Prozession

Bestens auf dem Camping Piccolo Paradiso im Maggiatal angekommen, galt es natürlich noch, das Bierfass an einen gebührenden Ort zu bringen. Weil wir mit dem Hipp-e-Bus nicht bis zu unserem Standplatz fahren konnten, zelebrierten wir unsere Ankunft mit einer Bierfass-Prozession quer durch den Camping…

Fazit

Die grosse Fahrt mit dem umgebauten Hipp-e-Bus über den Klausen- und anschliessend über den Gotthardpass lief absolut problemlos. Weder der Motor noch die Elektronik überhitzten oder machten irgendwelche Probleme. Auch der Rütteltest durch die Tremola bestand die alte Karosserie mit den neuen Antriebskomponenten mit Bravour. Eines der Highlights war sicher die enorme Beschleunigung am Berg. Auch die Klimaanlage/Wärmepumpe haben anstandslos funktioniert ohne Überhitzung oder Ausfällen. Zudem konnten wir ungestört das 12-Kanal-Soundsystem geniessen, vor dem Umbau war eine Unterhaltung bei 80 km/h bereits nicht mehr möglich wegen dem Motorenlärm. Der Akku aus dem VW ID.3 hat sich voll bewährt und das Schnellladen mit dem CCS-Standard mit 50 kW Leistung erlaubte uns, die Fahrt über 2 Pässe ohne Sorgen durchzuführen. Die Reichweite hätte sogar für eine Fahrt ohne Ladestopp gereicht, vorsichtshalber haben wir sowohl bei der Hin- wie bei der Rückfahrt jeweils eine Pause von 30 Min. eingelegt. Das passte natürlich prima in die Reiseplanung, denn essen mussten wir ja auch irgendwann…in dem Sinne bin ich überzeugt, dass die Zukunft der E-Mobilität gehört.

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