Wenn der Berg ruft...
 
Mit dem E-Mobil über den Gotthard

Mit dem E-Mobil über den Gotthard


E-Mobil mit Postkutsche 2016

Das E-Mobil ETHOS ist zwar bereits über 28 Jahre alt, wurde aber immer wieder revidiert. Mit der aktuellen Version 3.0 von 2014 haben wir uns nun auf die Reise über den Gotthard gewagt. Dank den modernen Lithium-Batterien ist die Wahrscheinlichkeit gross für einen Erfolg des Abenteuers.

Die Idee einer Gotthardüberquerung war schon länger in meinem Kopf. Letztes Jahr hatten wir bereits Ausflüge mit dem E-Mobil über 150 km am Stück gemacht. Die Reichweite mit einer Batterieladung liegt um die 180 km, je nach Steigungen und Fahrweise. Von Uerikon ins Maggiatal sind es ca. 200 km, und dazwischen liegt der Gotthard mit 2100 m.ü.M, wir müssen also irgendwo an eine Steckdose. Der Trip war ursprünglich so geplant, dass wir am Samstag losfahren und entweder an einem Badesee eine längere Zwischenladepause einlegen oder eine Übernachtung einlegen. Die Sorge bestand eigentlich nur, dass an der langen Steigung über den Gotthard der Motor überhitzen würde (da es sich um eine Einzelanfertigung handelt, ist alles im Prototyp-Stadium, es kann also immer etwas passieren).

Janosch war so aufgeregt, dass er unbedingt am Freitag losfahren wollte. Es lief sehr gut mit den Reisevorbereitungen, ich hatte ein kleines Zelt eingeladen, Werkzeuge für Notfallreparaturen und den Laptop für allfällige Konfigurationsänderungen. Auch eine 20-Meter-Kabelrolle war dabei. So waren wir gewappnet für einen allfälligen Zwischenfall, wir hatten mit dem Zelt sogar die Möglichkeit, irgendwo „wild“ zu campieren, falls wir nicht mehr weiterkämen.

Dem Abenteuer Gotthardüberquerung stand also nichts mehr im Wege, am Freitagabend ging’s in Uerikon los, als Soundtrack lief nicht unpassend „The Final Countdown“ der Band „Europe“.

Kurz vor der Abfahrt in Uerikon
Voll beladen kurz vor der Abfahrt in Uerikon (deutlich sichtbar die 20-m-Kabelrolle)

Vom Seedamm zum Vierwaldstättersee

Wir fuhren über Rapperswil, Sattelegg, Schwyz an den Vierwaldstättersee und legten in Brunnen den ersten Halt ein. Im Restaurant „Des Alpes“ gab’s ein feines Nachtessen für uns und für das E-Mobil Nahrung in Form von Gratisstrom. Das Servicepersonal war sehr interessiert an unserem Abenteuer. Während dem Nachtessen verfeinerte ich die Planung für die Nacht, die Idee war, dass wir noch gleichtags bis Andermatt fahren und auf dem Gebirgszeltplatz übernachten würden. Dort würde es auch Strom geben für das Mobil. Doch die Kellnerin, die selber von Andermatt stammt, riet uns davon ab, die Nächte würden auch im Sommer kalt dort (wir hatten unsere Schlafsäcke nicht dabei, die waren bereits mit dem Zug unterwegs ins Tessin).

Nach Brunnen der Regen

Leider fing es nach Brunnen an zu regnen. Ich montierte also das Regendach und wir fuhren die Axenstrasse entlang über Flüelen bis nach Altdorf. Dort machten wir kurz Halt für ein Foto vor dem Tell-Denkmal, Janosch war bereits eingeschlafen, er hatte sich in die Wolldecke gehüllt und hatte so ein warmes, trockenes Nest.

Tell-Denkmal in Altdorf
E-Mobil vor dem Tell-Denkmal in Altdorf

In Erstfeld, dort wo der neue eröffnete Gotthard-Basistunnel anfängt, beginnt auch die Gotthard-Nordrampe. Von nun an ging’s nur noch aufwärts. Das E-Mobil surrte wie am Schnürchen durch den immer stärker werdenden Regen, dem Berg entgegen. Ab Amsteg wurde es dann ernst, die ersten grossen Steigungen standen uns bevor. Janosch schlief friedlich neben mir, während ich durch den Regen kurvte. Schon bald erreichten wir Wassen, fuhren im Schwung um das berühmte Kirchli rum und sahen bald den Teufelsstein in Göschenen vor uns. Soweit machte das E-Mobil alles problemlos mit, der Motor war nur handwarm und die Batterie zeigte auch noch genügend Kapazität.

Schöllenenschlucht

Denn jetzt folgte das erste grössere Pièce de Résistance: die Schöllenenschlucht. Es war nun bereits nach 22 h und nur noch wenige Autofahrer unterwegs nach Andermatt in dieser regnerischen, kalten Nacht. Die Passstrasse durch die Schöllenenschlucht war hell ausgeleuchtet wegen Bauarbeiten, zusammen mit dem Regen ergab das ein surreales Bild. Und es wurde immer kälter. „Wenn jetzt nur nichts am Mobil zusammenbricht“, dachte ich mir und trat noch mehr aufs Gaspedal (oder nennt man das nun Strompedal?). Als wir die Teufelsbrücke passierten, war ich erleichtert, nun war es nicht mehr weit. Doch das mit dem Gebirgszeltplatz …war das wirklich eine gute Idee. Ich hielt vor dem Hotel „The Chedi“ an und schaute mich um. Da erblickte ich gleich gegenüber das Hotel „Badus“, welches gemäss TripAdvisor noch ein Zimmer frei hatte. Und so war es, ich trug Janosch ins warme Hotelbett, wo er friedlich weiterschlief. In meinen Gedanken stellte ich mir kurz den Gebirgszeltplatz vor, froh darüber, nicht noch in der kalten, regnerischen Nacht ein Zelt aufstellen zu müssen. Zudem stellte sich heraus, dass unsere einzige wärmende Wolldecke ganz durchnässt war. Janosch hatte einen Zipfel der Wolldecke aus dem Mobil auf die Strasse raushängen lassen und im Regen mitgeschleift. Nun galt es noch, das E-Mobil für die Nacht im Trockenen zu parkieren und mit Strom zu versorgen. Der Hotelier war sehr hilfsbereit, besorgte mir Strom mit einer zusätzlichen Kabelrolle und zeigte mir den Sicherungskasten (falls wegen dem Regen irgendwo Fehlerströme entstehen würden). Zwei Motorradfahrer, die noch in der Gaststube ein letztes Bier tranken, scherzten noch, dass ich ja schlimmstenfalls auf der Gotthardpasshöhe am Kiosk neue Batterien kaufen könne…

Ich stellte den Wecker auf 2 Uhr, um nochmals zu kontrollieren, ob der Ladevorgang normal ablaufen würde und schlief dann friedlich bis am Morgen. Am Samstagmorgen waren die Batterien voll geladen, der Regen hatte sich verzogen und Petrus war uns für die anstehende Gotthardpassüberquerung wohl gesinnt.

Andermatt - Hotel "Badus" (gleich vis-a-vis von The Chedi)
Andermatt – vor dem Hotel „Badus“ (gleich vis-à-vis vom Hotel „The Chedi“)

Teufelsbrücke

Doch vorher wollte ich unbedingt noch mit Janosch zur Teufelsbrücke. Wir fuhren also wieder ein Stück die Schöllenenschlucht runter und ich erzählte ihm die Legende von der Teufelsbrücke. Nach dem kurzen Abstecher konnten wir die letzte Etappe vor der Passhöhe in Angriff nehmen.

Vor der Teufelsbrücke
Vor der Teufelsbrücke

Kurz nach Hospental beginnt die Passstrasse stark zu steigen, wir fuhren mit ca. 60 km/h den Berg rauf und der Elektromotor surrte brav vor sich hin. Doch schon nach den ersten Kehren gab es plötzlich einen Stau. Was war da los? Wir sahen ein Postauto, das sich auch nur im Schritttempo vorwärts bewegte. Doch wie der Stau aus dem Nichts angefangen hatte, löste er sich auch wieder auf, und zwar kurz vor der Einbiegung in die alte Gotthardpassstrasse. Wir bogen in die mit Kopfsteinplaster befestigte alte Passstrasse ein, denn wir hatten ja genügend Zeit und die Steigung war da auch etwas geringer (ich war immer noch in Sorge wegen dem E-Motor und einem allfälligen Überhitzen).

Postkutsche

Nachdem wir ein paar Meter auf der holprigen Strasse gefahren waren, offenbarte sich uns der Grund für den Stau. Ganz langsam fuhr die historische Postkutsche, gezogen von vier echten Pferden, die alte Gotthardstrasse hinauf, begleitet von einem Bus, falls die Pferde mal schlapp machen. In der Postkutsche drin sassen Touristen, die sich gegen Bezahlung ins letzte Jahrhundert versetzen lassen und das langsame Reisen erleben wollen. Wir fuhren schnell an ihnen vorbei und erreichten bald die Passhöhe mit 2106 m.ü.M.

Gotthardpasshöhe

Auf dem Hospiz angekommen kontrollierte ich die Batterie und den Elektromotor. Die Batterie war erst zu ca. 20 % entladen und der Motor war nicht übermässig heiss geworden. Natürlich durften wir immer wieder viele Fragen von anderen Touristen aus ganz Europa beantworten. Also stand nun der Mittagsrast an, wir kehrten im Gotthard-Hospiz ein. In der Zwischenzeit war auch die Postkutsche eingetroffen und wir stellten uns zu ihr für ein paar Bilder.

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E-Mobil vor Postkutsche auf der Gotthardpasshöhe

Tremola

Frisch gestärkt fuhren wir los, die berühmte Tremola runter. Es holperte und schwankte, aber die Federung des Mobils hielt es aus. Auch die Rekuperation funktionierte tadellos, die Batterie wurde während dem Runterfahren geladen, die hydraulischen Bremsen kamen praktisch nicht zum Einsatz.

E-Mobil in der Tremola
E-Mobil in der Tremola
Tremola
Die Serpentienen der Tremola
Tremola
Tremola wir kommen

Sicht aus dem Cockpit: Tremola runter

Leventina und Bellinzona

Nach der Gotthardüberquerung gings die Leventina von Airolo bis Bellinzona runter. Dank Gefälle brauchten wir nur ganz wenig Strom und kamen sehr gut vorwärts. In Bellinzona hielten wir kurz eine Rast ab vor dem berühmten Castelgrande und spielten eine Runde Fussball. Danach fuhren wir durch die Magadino-Ebene nach Locarno, holten das Gepäck ab und fuhren ins Maggiatal. Auf dem Camping ladeten wir die erste Ladung unseres Gepäcks ab und fuhren dann nochmals ohne Zwischenladen zurück nach Locarno und holten das grosse Zelt und den Rest des Gepäcks.

Rückreise

Nach einer wurnderbaren Woche im Tessin stand die Rückreise auf dem Programm. Wir fuhren am Nachmittag los mit dem Ziel Airolo. Dort übernachteten wir im Hotel Forni gleich beim Bahnhof. Da es in den Bergen wieder angefangen hatte zu regnen, bot uns der Hotelier eine Garage an mit Lademöglichkeit. Am nächsten Morgen stand dann die Gotthardüberquerung von Süden nach Norden an, diesmal über 1000 Höhenmeter am Stück.

Janosch fragte mich beim Frühstück: „Fahren wir auf dem Heimweg wieder die Regula rauf?“

Janosch mit E-Mobil in der "Regula"
Janosch mit E-Mobil in der „Regula“

Gotthardpass und Telldenkmal

Nachdem wir erfolgreich die Tremola raufgefahren waren, hielten wir Mittagsrast auf dem Gotthardpass und beantworteten wieder viele Fragen zum E-Mobil von interessierten Touristen. Während der Abfahrt vom Gotthardpass konnten wir einiges an Energie zurückholen und kamen sehr gut voran. In Altdorf hielten wir nochmals kurz vor dem Telldenkmal, um das gleiche Foto wie anlässlich der Hippie-Bus-Reise vor einem Jahr bei Tag zu schiessen.

Batterien und Motor hielten

Von Altdorf aus ging’s ohne Halt nach Rapperswil. Dazwischen lag als letztes Hindernis ein kleiner Übergang, die Sattelegg. Die Kapazität der Batterien war nur zu ca. 50 % erschöpft, so dass wir mit 80 km/h den Berg rauf sprinten konnten. Zuhause angekommen kontrollierte ich nochmals Batterien und Motor. Alles in bester Verfassung. Und der Verbrauch an elektrischer Energie lag bei 7.5 kWh pro 100 km. Dieser Wert liegt nur geringfügig über den 7 kWh/100km, die das E-Mobil normalerweise braucht, trotz Gotthardpass. Dies zeigt eindrücklich auf, wie effizient E-Fahrzeuge sind. Ab Steckdose entspricht dieser Wert etwa dem Energie-Äquivalent von 0.75 l Benzin auf 100 km.

Wir konnten also zufrieden resümieren: Die Reise mit dem E-Mobil über den Gotthard war auf der ganzen Linie ein voller Erfolg. Und wer weiss, vielleicht kombinieren wir die beiden Reisevergnügen und fahren wir nächstes Jahr mit einem E-Hippie-Bus über den Gotthard…

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Details zum E-Mobil ETHOS

Das E-Mobil ETHOS (Electric Traction veHicle Operated by Solar energy) entstand in einer Studienarbeit an der ETH Zürich unter dem Patronat des AMIV (Akad. Maschinen- u. Elektro-Ingenieur-Verein).

Es war 1992 das erste reine Elektrofahrzeug der Welt, das mit den damals innovativen Nickel-Metallhydrid-Batterien ausgerüstet war. Als Hauptinitiator zeichnete Simon Kaiser verantwortlich für das Sponsoring, Design und die Umsetzung. Ein weiteres wichtiges Team-Miglied war Andreas „Gögi“ Marx. Nach Abschluss des Studiums gründeten die beiden die Firma EcoLogic und nutzten das E-Mobil ETHOS als Firmenfahrzeug und als Eye-Catcher.

Andere wichtige Mitglieder des ETHOS-Teams sind später bekannte Persönlichkeiten geworden. So war z.B. Martin Bosshardt, heute CEO von Open Systems, verantwortlich für die Finanzen und Roland Brack, Gründer des bekannten Online-Händlers BRACK.CH, verantwortlich für den Antrieb.

Im Jahre 2014 wurde das Mobil komplett umgebaut und besitzt nun eine 60-kW-Brushless-DC-Radnabenmotor(USA) mit neuer Steuerelektronik(DE), eine Lithium-Batterie(CN) mit Batterie-Management-System(AU), ein neues Ladegerät(CH) und ein Apple iPad(USA) als Boardcomputer. Weil das Fahrzeug konsequent in Leichtbautechnik konstruiert ist, wiegt das Fahrzeug inkl. Batterien leer ca. 400 kg und besitzt dadurch eine Reichweite von ca. 180 km, obwohl nur eine 10-kWh-Batterie eingebaut ist (zum Vergleich: Tesla Model S hat eine 90-kWh-Batterie).

7 Comments

  1. Pingback: Mit 84 km/h elektrisch über den Gotthard - inkl. Bierfass - Simon's Gotthard Blog %

  2. Hey Simon, das sieht ja alles sehr cool aus! Hippies, Ethos, 3-Generationen, 2-Generationen, Reisen, Sonnenbrille und der Hut.. Wie geht es dir so? An der Neat-Eröffnung hatte ich auch einen besonderen Tag, wir haben unsere Vermählung in SEHR kleinem Rahmen gefeiert. Liebe Grüsse und bis bald einmal! Claudia

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